Auf dem Tennisplatz und im Playboy (2024)

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Sie punktete in Wimbledon mit dem Tennisschläger, aber noch besser punktete sie mit ihrem Aussehen. Die Rede ist von Anna Kournikova, jener russischen Tennisspielerin, die Ende der 90er als Spitzensportlerin und Sexsymbol bekannt wurde. Damit war sie Vorreiterin eines Trends: der Sexualisierung des Sports.

Von Peter Leusch | 29.04.2010

"1999 hat der Beachvolleyballverband entschieden, dass die Bekleidungsvorschriften für die Spieler verändert werden. Das heißt, man durfte nicht mehr selbst entscheiden, was man auf dem Platz trägt: Man durfte keinen Einteiler mehr tragen, keine langen Hosen, sondern man muss seitdem als Beachvolleyballspielerin einen Zweiteiler tragen, und dieser Zweiteiler darf an der Hose an der breitesten Stelle maximal vier Zentimeter breit sein, sodass also diese Sporthose aussieht wie eine Bikinihose. Das wurde weltweit eingeführt, einfach um diese Sportart für die Medien attraktiver zu machen."

Daniela Schaaf, Medienwissenschaftlerin an der Sporthochschule in Köln, registriert seit den 90er-Jahren einen Trend zur Sexualisierung in der Sportberichterstattung. Sex sells - Sex verkauft gut. Das wissen die Werbefachleute schon länger. Nach den Schauspielern sind inzwischen verstärkt Sportler und Sportlerinnen gefragt. Sie sollen sich in- und außehalb des Wettkampfs erotisch präsentieren, um ihre Bekanntheit ebenso zu erhöhen wie die Einschaltquoten des Mediums. Bislang sind die Sportler, bei denen sich diese Sexualisierungsstrategie beobachten lässt, zu mehr als 80 Prozent Männer, am bekanntesten David Beckham, der über ein Jahrzehnt mit wechselnden Frisuren, Moden und Tattoos seine Vorstellung von Männlichkeit inszeniert hat. Aber zunehmend vemarkten auch Sportlerinnen ihre Attraktivität. Ein Typus, so Daniela Schaaf, sei die berühmte Sportlerin gegen Ende ihrer Karriere oder danach.

"Als typische ehemalige Sportlerin ist sicherlich Katarina Witt - die ehemalige Eiskunstläuferin, Olympiasiegerin - das beste Beispiel. Sie hat sich erstmals 1998 für den US-amerikanischen Playboy ausgezogen, dieses Heft ist übrigens neben dem mit Marilyn Monroe dasjenige, was mittlerweile komplett vom Markt ist. Das heißt, man kann dieses Heft nicht mehr kaufen. Und Katarina Witt ist ein Vorbild für alle anderen ehemaligen Sportlerinnen gewesen. Das heißt, seitdem haben sich dort weitere deutsche Sportlerinnen ausgezogen, zum Beispiel: Tanja Szewczenko hat sich nach der Beendigung ihrer aktiven Karriere ausgezogen, um dann in der Folge Engagements als Schauspielerin in RTL-Daily-Soaps zu bekommen."

Daniela Schaaf hat in ihrem Vortrag aber auch die Schattenseiten der Sexualisierungsstrategie herausgestellt. Denn das Netz vergisst nichts. Eine Sportlerin müsse damit rechnen, dass sie noch in 30 Jahren via Internet mit ihren Nacktbildern identifiziert wird, während sich schon längst niemand mehr an ihre sportlichen Erfolge erinnert. Außerdem könne es moralischen Druck von Seiten des Sportverbandes geben oder auch negative Reaktionen von Konkurrenten, die ihre erotische Inszenierung als unseriösen Wettbewerb empfinden. Ein drittes Bedenken hegt Daniela Schaaf in Bezug auf den Typus der jungen attraktiven, aber kaum bekannten Sportlerin.

"Ein Auftritt in einem Männermagazin, eine erotische Medienpräsenz kann nur eine kurzfristige Aufmerksamkeit generieren. Das heißt, wenn das Heft herauskommt, erhält man zusätzliche Aufmerksamkeit, andere Medien fragen nach Interviews, man wird in Talkshows eingeladen. Aber sobald das nächste Heft herauskommt, ist man auch wieder in Vergessenheit geraten. Das heißt, man hatte seine 15 Minuten Ruhm."
Daniela Schaaf rät deshalb jungen Sportlerinnen und ihrem Management, sorgfältig unter den Angeboten der Medien auszuwählen, um nicht auf erotische Fast-Food-Bilder reduziert zu werden.

Aber wie sind im Hinblick auf die Sexualisierung die Medien und ihre Praxis selber zu beurteilen? Dietrich Leder, Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln, artikuliert in seinem Vortrag eine grundsätzliche Kritik. Den visuellen Medien - Fotografie, Film und Fernsehen - eignet von ihren Ursprüngen her ein struktureller Voyeurismus. Dietrich Leder nennt es den sexualisierten Blick.

"Wenn wir uns das genau anschauen, ist Sport - Spitzensport - und p*rnografie das Einzige, was massenmedial extrem erfolgreich ist. Im Internet gibt es nur ein refinanzierendes Modell: das der p*rnoindustrie. Das heißt, den massenmedialen Apparaten, den fotografischen Aufzeichnungsinstrumentarien ist gleichsam diese Nähe zwischen Sport und Sexualität einbeschrieben. Und man kommt nicht von ihr weg. Aber man muss sich ihrer bewusst werden. Was ich da tue, wie ich abbilde, welchen Stereotypen von Körperlichkeit ich da folge, da sind wir bei dem Punkt von Vielfalt. Das heißt, bewusstes Anarbeiten gegen Stereotype, bewusstes Setzen und Entdecken von Vielfalt."

Aber gerade im Mediensport halten sich die härtesten Klischees, wie ein Mann und eine Frau zu sein haben. Während es in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens ein gutes Stück gelassener und toleranter zugeht, sodass nicht nur Schauspieler und Künstler, sondern auch Politiker, sogar ein Außenminister sich zu ihrer hom*osexualität bekennen können, ohne diskriminiert zu werden, ist das in der Paradesportart Fußball immer noch nicht möglich, erklärt Martin Schweer. Er lehrt Pädagogische Psychologie an der Universität Vechta.

"Ich kenne keinen Spieler, der sich outet. Es gibt in der deutschen Szene niemanden, es gibt auch international niemanden. Es gab einen tragischen Fall in England, der sich dann das Leben genommen hat. Also im Moment sind wir zwar so weit, dass dieses Thema aufgegriffen wird, das hat auch Ursachen. Der Deutsche Fußballbund nimmt sich dieses Themas an, sicherlich ein Auslöser war der Selbstmord von Robert Enke, der dazugeführt hat, dass man die sogenannten Tabus im Fußball stärker in den Mittelpunkt gerückt hat, aber nach wie vor gibt es viele Experten als auch Spieler, auch Manager wie Rudi Assauer, der kürzlich gesagt hat, dass ein Coming-out eines professionellen Fußballers im Moment undenkbar sei und dazu führen würde, dass er seine Karriere nicht mehr erfolgreich weiterführen kann."

Sportlerinnen dagegen - wie zum Beispiel die erfolgreiche Tennisspielerin Martina Navratilova - konnten sich zu ihrer hom*osexualität bekennen, aber dies ist noch kein Beweis für wirkliche Toleranz.

"Bei weiblicher hom*osexualität ist es etwas anderes. Die wird eher akzeptiert, weil weibliche hom*osexualität stärker in das Bild passt, also dass - in Anführungszeichen - keine 'richtigen' Frauen hohe Leistungen im Sport erbringen können, passt besser in unser Bild, als dass - in Anführungszeichen - keine 'richtigen' Männer das tun. Da sieht man einfach die Koppelung zwischen Männlichkeit, Heterosexualität und Hochleistungssport, die ist durchgängig gegeben. Sie wird natürlich besonders stark in den Sportarten wahrgenommen, wo letztendlich Männlichkeit, Konkurrenzkampf, Aggressivität eine sehr wichtige Rolle spielt und wo eine hohe mediale Aufmerksamkeit besteht wie beim Fußball."

Das Thema hom*osexualität zeigt, wie sehr der Mediensport immer noch in seinen Geschlechtervorstellungen gefangen ist und zu Verdrängung und Ausgrenzung tendiert. Hier liegen Potenziale brach. Denn an anderer Stelle - wenn man zum Beispiel an die multikulturellen Fußballteams denkt - hat der Sport zur Bekämpfung des Rassismus beigetragen und dabei seine integrative Kraft bewiesen.

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Author: Chrissy Homenick

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